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Wette gewonnen: "Brandstiftung des Asylantenheimes konnte trotz intensiver Ermittlungen
...nicht aufgeklärt werden."
Was die Polizei Erbach (bestens versteckt in der Kriminalitätsstatistik 2002) zum Besten gibt, kann man leider nur noch sarkastisch kommentieren. Vor fast 11 Monaten hieß es "prophetisch" hier in den Odenwald Geschichten: "Wetten, dass die Brandstifter von Reichelsheim nie ermittelt werden"!
Wer glaubt, dies künde von Hellseherei, irrt. Denn wer einmal erlebt hat, wie Polizei und Staatsanwaltschaft im Odenwald bzw. in Südhessen bei politisch brisanten Straftaten "intensiv" ermitteln, weiß das Wort "intensiv" sehr gut zu deuten.
Politisch brisant etwa war der Fall des nahe Dieburg mit einer Pump-Gun erschossenen Peter Kaffenberger, involviert in den Mord war der Sohn eines ranghohen, südhessischen Kommunalpolitikers. Selbst die Berichte des biederen Echo schmückten damals Schlagzeilen wie "Beweismittelvernichtung" und "Strafvereitelung". Politisch brisant waren Ermittlungen gegen (z.T. leitende) Mitarbeiter von Landrat Schnur wegen Verdachts der Unterschlagung und Urkundenunterdrückung. Die "intensiven" Ermittlungen in diesem Fall sind u.a. auf der Website justizskandale.de minutiös dokumentiert. Politisch brisant ist auch ein Ermittlungsverfahren gegen Landrat Schnur - u.a. wegen Verdachts der Nötigung und Verletzung von Dienstgeheimnissen. Auch in diesem Fall bedarf es natürlich keiner Hellseherei, um den Ausgang des Verfahrens vorherzusagen. Denn der "Rechtsstaat", der angeblich auch den Staat selbst bzw. seine Amtsträger unter das gleiche Gesetz wie seine (normalen) Bürger stellt, ist in Wirklichkeit zu 50% ein bloßer Kulissenzauber, Theater, man könnte auch sagen: eine Lüge. Es wird also so getan, als würde ermittelt und als würde dem Rechtsstaat genüge getan, tatsächlich aber steht der Ausgang schon am Anfang fest.
Und der Brandanschlag auf das Asylantenheim? Auch hier besaß das Ermittlungsverfahren politische Brisanz.
Man stelle sich vor, wie "erfreut" die örtliche Regentschaft über folgende (womöglich noch bundesweite) Schlagzeile gewesen wäre: "Fremdenfeindlicher Brandanschlag auf Asylantenheim im Odenwald".
Im "Wohlfühlkreis" wohlgemerkt, in dem dank 50-jähriger SPD-Regentschaft alles zum Besten steht. Im Hinblick auf Fremdenfeindlichkeit vielleicht sogar alles so zum Besten steht wie im verflossenen "antifaschistischen" Musterländle DDR - nach 50-jähriger SED-Regentschaft. Auch dort gab es bekanntlich keine Fremdenfeindlichkeit -weil es im Sozialismus (ebenso wie im Odenwald) so etwas eben nicht gibt und geben kann.
Ist es ein Zufall, dass die Kriminalitätsstatistik 2002 für den Odenwaldkreis fast auf den Tag genau (23. 5.) ein Jahr nach dem Brandanschlag (26. 5.) erscheint? Zweifel sind gestattet: Wenn bei einem vielfachen Mordversuch ein Jahr später kein Täter ermittelt wurde, ist dies ein Skandal, erst recht, wenn schon unmittelbar nach dem Anschlag mit ebenso voreiligen wie aberwitzigen Festlegungen die Tendenz markiert wurde. Mit dem exzellenten "Timing" ersparen sich die famosen "Intensiv-" Ermittler, dass etwa im Käsblatt "Odenwälder Echo" einer der womöglich größten Skandale in der Geschichte des Odenwaldes in einem gesonderten Artikel mit gesonderter Schlagzeile zum Jahresjubiläum erinnert oder gar kommentiert wird.
Der Brandanschlag auf das Asylantenheim (2002) war als vielfacher Mordversuch schwerwiegender als die Attacken auf die Synagoge in Michelstadt während der "Reichskristallnacht" (1938). Und wieder kommen die Täter wohl ungestraft davon und leider muss man fragen, wie "intensiv" denn tatsächlich amtlich ermittelt wurde - wenn man sich schon zu Beginn "Scheuklappen" aufsetzte.
Dass dieser Skandal auch noch in eine polizeiliche "Erfolgsgeschichte" verpackt und schöngeredet wird ("Spitzenposition im positiven Sinne") setzt dem Ganzen - und dem Zynismus - die Krone auf.
Im Polizeibericht heißt es über 2000 und 2001, "dass in diesen beiden Jahren die niedrigsten Straftatenzahlen seit 1994 (4294 Straftaten) erreicht wurden."
Dagegen hieß es über das Spitzenjahr 2001 im Odenwälder Echo: "Aber eine solche Welle der Gewalt, wie sie im ersten Quartal 2001 über ihm zusammenschlug, hatte der Landstrich noch nicht erlebt."
Ungeachtet dieser (rechtsextremistisch motivierten) "noch nicht erlebten" "Welle der Gewalt" heißt es auch heute im Polizeibericht: "Die Ermittlungen brachten auch keine Hinweise auf eine politisch motivierte Straftat." Ja, wer hätte das auch anders erwartet: Man kann sich doch nach einem Jahr nicht selbst blamieren, wenn man den gleichen Unsinn bereits wenige Tage nach dem Anschlag herausposaunte. Es kann ja tausend Motive geben, dass zwei Leute mitten in der Nacht an verschiedenen Stellen in einem Asylantenheim Feuer legen. Das (politische) Motiv Fremdenfeindlichkeit wäre also nur eines unter tausend (!) denkbaren Motiven. (Wird man eines Tages bei einer Vergewaltigung auch keine Hinweise auf ein sexuelles Motiv finden?)
Aber warum führt die Frankfurter Rundschau diesen Brandanschlag dennoch in ihrer Chronik rechtsextremer Übergriffe auf??
Könnte sich bei so viel (amtlicher) Wahrheit und bei so paradiesischen Zuständen das regionale Tagesblatt nicht einfach "Odenwälder Prawda" nennen?
Und was ist die Moral von dieser Geschichte? Dass im Odenwald über 20 Menschen, darunter Frauen und Kinder (durch einen gezielten, nächtlichen Brandanschlag) ermordet werden könnten, ohne dass die tollen Ermittler nach einem Jahr auch nur einen Tatverdächtigen geschweige denn einen Täter nennen können? Sicher ist nämlich, dass die Ermittlungsvoraussetzungen durch das Überleben der Opfer (und Zeugen) eher besser als schlechter waren.
Mit dieser armseligen Ermittlungsleistung dürften die Odenwälder und Darmstädter Ermittler tatsächlich eine bundesweite Spitzenposition einnehmen: Nur nicht "im positiven Sinne", sondern im blamabelsten und beschämendsten Sinne. Für die verständnisheischende Formulierung "trotz intensiver Ermittlungen" hatten sie anscheinend allen Grund.
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